„Ich komme wieder, sobald ich kann“… mit diesem Versprechen steige ich Anfang April 2022 in Mombasa ins Flugzeug, das mich nach Deutschland zurückbringen wird. In den fast neun Flugstunden nach Frankfurt ziehen die vergangen sieben Wochen noch einmal an mir vorüber…
Aufgrund eines technischen Problems am Flieger bin ich Anfang Februar schon mit einem ganzen Tag Verspätung in Mombasa angekommen. Das schöne kleine Häuschen vom vorletzten Jahr hat nun einen anderen (dänischen) Besitzer, der es selbst bewohnt und nicht mehr vermietet. Aber ich habe Glück und darf ein paar Häuser weiter ein ähnliches Häuschen beziehen.
Die Familie in Mtangani ist kleiner geworden. Nur noch Marly kommt nach Schulschluss nach Hause. Jimmy hat seine eigene Familie, Mike studiert dank seiner beiden Patenfamilien mittlerweile in Nairobi und Melina ist seit einem halben Jahr auf eigenen Wunsch im Internat. Maria hat es zum Studium ins ferne Mombasa gezogen. So freuen sich nur noch Esther und Marly herzlich über unser Wiedersehen nach zwei langen Jahren.
Mir fällt auf, dass Marly Probleme mit den Zähnen hat. Sechs Milchzähne sind nicht ausgefallen. Je drei Zähne werden an den folgenden beiden Montagen vom Zahnarzt im Tawfiq gezogen, damit die bleibenden Zähne ihren richtigen Platz einnehmen können. Nicht ein einziges Tränchen…ich bin beeindruckt über so ein tapferes Mädchen. Das kann auch nicht an der vom Zahnarzt verordneten Eiscreme gelegen haben, denn die gehört gar nicht zu ihren Lieblingsspeisen. Ihre geliebten salzigen Kartoffelchips sind leider nicht so spaßig auf offener Zahnwunde…
Der Besuch unserer kleinen Gesundheitsstation weckt sehr gemischte Gefühle in mir. Auch Dr. Martin, der Nachfolger von Dr. Masha, konnte die Einrichtung nicht mehr wirtschaftlich betreiben. In den letzten Jahren sind viele kleinere und größere Hospitals in der Umgebung entstanden, so dass kein echter Bedarf mehr an unserer kleinen Gesundheitsstation besteht. Um das Gebäude weiter zu nutzen und nicht ganz aufzugeben, hat Mathias es zu einem allgemeinen Treffpunkt für die Dorfbewohner umgestaltet. Zugegeben, es hat mich schon etwas geschmerzt… Andererseits muss ich wohl einfach akzeptieren, dass sich Dinge und Umstände verändern. Zumindest finde ich es tröstlich, dass das Gebäude weiterhin von der Dorfgemeinschaft genutzt wird.
Nach fast zwei Jahren graut es mir vor der Buchführung und dem Kampf um die Belege. Mit dem zunehmenden Einsatz des Handy-Bezahl-Systems M-Pesa (hier übernimmt die Sim-Karte des Mobiltelefons die Funktion des nicht vorhandenen Bankkontos), gibt es für viele Ausgaben keine Belege mehr. Zahlungsempfänger verweisen dann gern auf den M-Pesa-Kontoauszug. Der gibt aber lediglich Aufschluss auf den Empfänger, die Summe und den Zahlungszeitraum und damit ist ein deutsches Finanzamt eher nicht zufrieden.
Als kleinen Ausgleich zu langen Stunden an Excel-Tabellen beginne ich die Tage mit ausgedehnten Strand-Spaziergängen am Silver-Sand. Wobei dieser Strand mittlerweile alles andere als Silver ist. Verfallende Hotelruinen erinnern an vergangene Zeiten, als hier noch zahlreiche Touristen an Pool und Strand fröhliche Urlaubstage verbrachten und damit auch für Arbeit und Einkommen der einheimischen Bevölkerung sorgten. Heute harkt hier am Strand niemand mehr das Seegras zusammen und Berge von Plastikmüll säumen das Ufer zum indischen Ozean. Ein trauriger Anblick und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer.
Maria studiert an der Mount Kenya Universität in Mombasa Business-Management. Bei einem Besuch in Mombasa zeigt sie mir ihr Zimmer im Studenten-Hostel. Wir verbringen einen schönen gemeinsamen Tag mit Stadtbummel, Shopping und lecker Essen. Leider hat sie durch ihre Sichelzellen-Krisen weiterhin viel Fehlzeiten, die sie bisher aber immer gut aufholen konnte. Ihr Lehrer, mit dem ich auch sprechen konnte, lobte ihr großes Engagement und Interesse.
Während wir mit dem TUKTUK durch die Straßen von Mombasa tuckern, fällt mir auf, dass fast alle Gebäude in den Farben blau-weiß erscheinen. Habe ich mich irgendwie verfahren und bin auf einer griechischen Insel gelandet? Der Bürgermeister von Mombasa brachte diese Eindrücke wohl von einer Griechenland-Reise mit und setzt sie nun beharrlich in seiner Heimatstadt um.
Die Reise nach Nairobi zu Mike fand dieses Jahr aus Zeitgründen mit dem Flieger statt. In einer Stunde von Malindi nach Nairobi, obwohl ich die Bahnfahrt von Mombasa nach Nairobi immer sehr genießen konnte.
Die Multimedia University of Kenya, an der Mike studiert, liegt direkt am Nairobi National-Park. Nach einem Campus-Rundgang lud er uns noch auf einen Kurzbesuch in seine Studenten-Bude ein.
Danach hatte ich ihn mit Onkel und Tante (die beiden hatten ihn schon während seiner Schulzeit in Nairobi betreut) zu einer Mini-Safari in den Park eingeladen. Es war für uns alle ein unvergesslicher Tag, besonders weil wir fast alle Tiere gesehen haben und uns über eine lange Strecke ein Löwenpärchen begleitet hat.
Der Park liegt mitten im Stadtgebiet und es mutet merkwürdig an, wenn hinter den Zebras die Hochhäuser von Nairobi in den Himmel ragen.
Die Ferien von Melina und Marly begannen in diesem Jahr bereits im März, damit die Abschlussklassen ihre verspäteten Abschluss-Examen ungestört schreiben konnten. Noch immer versuchen die Schulen, die Corona-bedingten Ausfälle irgendwie auszugleichen. Normalerweise besteht ein Schuljahr aus drei Terms von Januar bis Dezember. Schon im letzten Jahr wurden vier Terms pro Jahr absolviert, wobei der Klassenwechsel erst zum Mai erfolgte. In der Folge waren auch Schulgebühren für vier Terms fällig, wodurch ein riesiges Loch in unsere Kasse gerissen wurde. Selbst für ein kurzes Term von sieben Wochen wurden volle Gebühren kassiert.
Die Schulgebühren für die Grundschule wurden um gut 300 Euro pro Jahr erhöht. Für die dritte Klasse fielen im letzten Jahr etwa 950,00 Euro Schulgebühren an. Darin sind noch keine Bücher und andere Lernmittel enthalten. Melina ist auf eigenen Wunsch seit September 2021 im Internat untergebracht um sich ungestört auf ihren Grundschulabschluss im nächsten Jahr vorbereiten zu können. Die Kosten für Melinas Schulbesuch beliefen sich für 2021 auf etwa 1.300 Euro.
Um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: Bei der Malindi-Premier-Schule handelt es sich eine ganz normale (Privat)-Schule und nicht um eine überteure Luxus-Schule.
Mütter aus armen Familien verkaufen oft sich selbst, um ihren Kindern den Schulbesuch ermöglichen zu können.
Wie in jedem Jahr wurde von den Bewohnern in Masheheni erneut die Bitte um eine Maismühle an mich herangetragen. Dieses Vorhaben hatte ich aus finanziellen Gründen immer wieder aufgeschoben. Der erbetene möglichst genaue Kostenvor-anschlag ließ nicht lange auf sich warten. Knapp 4.000 Euro für die Maschine und etwa 1.000 Euro für das Häuschen drumherum… Nach einem genauen Kassensturz entscheide ich, dieses Projekt in diesem Jahr zu realisieren. …und bestätige den Auftrag.
Nicht einkalkuliert hatte ich dabei, dass kenianische Bauarbeiter oft weder lesen, schreiben noch richtig rechnen können. Darunter fällt auch die Kalkulation des Materialbedarfs. Ein Sack Nägel wird verarbeitet, dann ein neuer gekauft. Steine, Zement, Wellblech, Nägel… alles musste nachgekauft werden und führte am Ende zu Gesamtkosten von fast 7.500 Euro. Ein weiteres großes Loch in der Projekt-Kasse.
Mittlerweile ist die Mühle im Einsatz Neuer Mais wächst gerade heranDer Ausbruch des Ukraine-Krieges führte auch in Kenya zu deutlich spürbaren Preissteigerungen nicht nur bei Lebensmitteln und Baumaterialien.
Daher konnten wir dem Anliegen, in Masheheni wieder Saatgut usw. im Rahmen unserer Landwirtschaftshilfe zur Verfügung zu stellen, in diesem Jahr nur in sehr geringem Umfang nachkommen.
Der laufende Betrieb der Brunnen erforderte neue Rohre für die Handpumpe und ein neues Solarpanel. Das feuchte salzhaltige Klima nagt an den Materialien.
Den Nachbarskindern konnte ich mit einer Lolli-Spende und Kugelschreibern eine große Freude machen.
In diesem Bericht bin ich sehr viel auf Zahlen und Summen eingegangen. Aber nach einigen persönlichen Gesprächen mit Euch bin ich zu dem Entschluss gekommen, wenigstens auf die aktuelle Situation in Kenya aufmerksam zu machen.
Da uns die immer weiter steigenden Preise und (Schul)-Gebühren bereits vor große Herausforderungen stellen, können wir größere Projekte demnächst nicht planen.
Es soll sich bitte niemand gedrängt fühlen, zumal wir auch hier einige (nicht nur finanzielle) Herausforderungen zu erwarten haben.
In diesem Zusammenhang meinen allerherzlichen Dank an alle, die uns auch in diesen schwierigen Zeiten so treu unterstützen bzw. unterstützt haben.
Weil nicht abzusehen ist, wie sich die Weltlage entwickelt und wie im nächsten Jahr die Reisemöglichkeiten sein werden, werde ich mich in diesem Jahr im Oktober nochmals auf die Reise machen.
Ich danke sehr für Euer Interesse und grüße Euch herzlich
Gaby
Kenya-Hilfe Berlin/Brandenburg e.V. Spendenkonto: Mittelbrandenburgische Sparkasse IBAN: DE52160500003825004111